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In Moskau und Peking wird Schach gespielt – in Washington tobt demnächst ein Elefant im Porzellanladen

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Wie Boris Jelzin im Russland der 1990er-Jahre ist Donald Trump in den USA ein Leader mit großem Instinkt und Intuition. Er hat die Wahlen in seinem Land nicht zufällig gewonnen. Trump hat es verstanden, die Interessen der Multimilliardäre, angezogen vom Versprechen nach Steuersenkungen, und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über den Verfall des Lebensstandards zusammenzuführen, indem er an die niederen xenophoben und anti-woken Instinkte weiter Teile der US-Amerikaner appellierte und sich die Abneigung gegen das elitäre Gehabe von Biden, das Harris inhaltslos kichernd mit irritierendem Gehabe perpetuierte, zunutze machte. Ein Artikel von Rafael Poch, übersetzt aus dem Spanischen von Carmela Negrete Navarro.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Sein Gespür und sein Instinkt haben Trump zum Wahlsieg verholfen, aber wie Jelzin ist der künftige US-Präsident zur Amtsführung vollkommen unfähig. Er benennt für seine Regierung sehr unterschiedliche und untereinander wie in sich völlig widersprüchliche Figuren, die die in sie gesetzten Erwartungen wahrscheinlich völlig enttäuschen und großes Chaos im Land stiften werden, ähnlich dem, das Jelzin in den 1990er-Jahren in Russland angerichtet hat. Vor diesem Hintergrund bemerkte der russische Filmemacher Karen Schachnasarow, ein Stammgast im russischen Fernsehen, diese Woche: „… Und das könnte uns sehr zugutekommen.“

Viele westliche Beobachter irren sich allerdings, wenn sie sagen, dass man in Moskau von Trumps Sieg begeistert ist. Die Unberechenbarkeit dieses amerikanischen Jelzins, der jeglicher erkennbarer Strategie entbehrt, ist zu groß. Seine Kabinettsbenennungen deuten sicher auf mehr Druck gegen Lateinamerika hin, aber auch gegen den Nahen Osten, wie David Hearst, Herausgeber von Middle East Eye, einschätzt:

„Während seiner ersten Amtszeit hat Trump die Bedingungen für den Hamas-Angriff vom 7. Oktober geschaffen, indem er die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt, die Annexion der Golanhöhen abgesegnet und die Abraham-Abkommen ersonnen hat; und nun, in seiner zweiten Amtszeit und mit einer Regierung, die wie papageiengleich die Pläne Israels wiederholt, den Krieg auf Syrien und den Iran auszudehnen, ist er durchaus in der Lage, einen regionalen Konflikt auszulösen, der sich der Kontrolle sowohl Amerikas als auch Israels entzieht.“

Doch was die Ukraine betrifft, das, worauf es in Moskau zweifellos am meisten ankommt, ist die Lage weitaus weniger klar.

Jemand, der behauptet „das Problem in 48 Stunden“ lösen zu können, sich also „mit Putin einigt“, hat kaum ein angemessenes Verständnis von der Sache. Trump hat nicht verstanden, warum die Nordkoreaner die Entwicklung einer Atombombe vorantreiben und immer wieder Raketentests vornehmen. Und er hat auch diplomatisch nichts erreicht, trotz seines außergewöhnlichen Treffens mit Kim Jong-un im Juni 2018. Dass er sich im Juli desselben Jahres in Helsinki mit Putin traf, verhinderte nicht, dass der kurz darauf aus dem INF-Vertrag über nuklear bestückbare Mittelstreckenraketen austrat, was die technischen Voraussetzungen für die Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Polen und Rumänien schuf und dazu führte, dass die NATO in großen Mengen schwere Waffen an die Ukraine lieferte, obwohl die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist.

Außerdem ließ Trump eine neue nationale Sicherheitsstrategie verabschieden, mit der die Priorität von der „Bekämpfung des Terrorismus“ zur „Konkurrenz zwischen Großmächten“ verlagert wurde. Wahrscheinlich wusste Trump – wie auch Jelzin, als der die in Harvard vorbereiteten Wirtschaftsreformdekrete unterzeichnete – nicht allzu viel von den Konsequenzen seines Tuns, aber das ändert wenig an der Sache. Die Eskalation in der Ukraine setzte sich während seiner Amtszeit fort. Trump ließ bis dahin beispiellose Militärmanöver im Schwarzen Meer starten, an denen 32 Länder teilnahmen, die „Krim-Plattform“ der Kiewer Regierung segnete ein Programm zur Rückgewinnung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel ab und unterzeichnete im August 2021 ein Verteidigungsabkommen mit Kiew sowie eine Charta zur strategischen Partnerschaft (US-Ukraine Strategic Defense Framework und Charter on Strategic Partnership). Kurzum eine Politik, die Krönung des europäischen Sicherheitskuchens, zunächst ohne Russland und dann gegen Russland, der über drei Jahrzehnte hinweg gebacken wurde und schließlich die russische Invasion in die Ukraine im Februar 2022 provozieren sollte.

Die Hoffnungen, die man in Moskau in eine zweite Amtszeit von Trump legt, dürften daher mehr mit dem kalkulierten Chaos und den erwarteten Tumulten innerhalb der USA zu tun haben, die der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten verursachen könnte: wegen seines angekündigten Handelskriegs, der eine gesteigerte Inflation und einen weiteren Rückgang des Lebensstandards für die Mehrheit zur Folge haben dürfte. Weniger allerdings mit seinen launenhaften Versprechungen, den Ukraine-Krieg zu beenden. Wenn Trump die USA durcheinanderbringt und das Land in ein lähmendes Durcheinander stürzt, dann soll das in Moskau willkommen sein.

Währenddessen wird in Russland die Entscheidung westlicher Staaten, der Ukraine den Einsatz von amerikanischen Raketen auf russisches Territorium zu erlauben, unterschiedlich interpretiert. Eine Erklärung ist, für Moskau den Preis für eine Verlängerung des Krieges hochzutreiben, um bei zukünftigen Verhandlungen günstigere Ausgangsbedingungen zu haben. Das wäre eine Taktik, die Biden und Trump im Rahmen einer Übergangsvereinbarung für die verbleibenden zwei Monate bis zum Amtswechsel gemeinsam ausgehandelt hätten. Militärisch sind die Russen in der Vorhand, sie schreiten langsam, aber unaufhaltsam voran, die Zeit scheint für sie zu spielen. Es geht darum, dieses Vertrauen zu zerstören, und in diesem Punkt wären sich die beiden Präsidenten einig.

Eine andere Interpretation kommt im Tweet von Trumps Sohn Donald Jr. zum Ausdruck, in dem dieser eine Verschwörung des Deep State gegen seinen Vater suggeriert:

„Der militärisch-industrielle Komplex scheint sicherstellen zu wollen, dass der dritte Weltkrieg beginnt, bevor mein Vater die Gelegenheit hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten“, schrieb Trump Jr. am 18. November.

Demnach sei die Entscheidung ein Schlag Bidens gegen Trump, dem noch vor Amtsantritt Stolpersteine in den Weg gelegt werden sollen. Damit würde der Übergabepakt gebrochen, nachdem weder der Gewählte noch der Amtsinhaber sich behindern sollten. Schließlich hatte Trump Biden 2021 die „Ehre“ der peinlichen Rückzugsaktion aus Afghanistan bereitet. Jetzt ginge es um dasselbe: dem Nachfolger das Leben schwer zu machen.

So oder so, nachdem Putin im September angekündigt hatte, dass der Einsatz der Raketen gegen Russland (die nur von militärischen Experten der NATO betrieben werden können) eine „direkte Beteiligung am Ukrainekrieg“ seitens der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Großbritanniens bedeuten würde, war klar, dass dies nicht ohne russische Antwort bleiben würde. Offensichtlich hängt eine solche Antwort vom Maßstab und der Intensität des Angriffs ab, da die russische Antwort dem erlittenen Schaden angepasst werden muss.

Die russische Seite sagt, dass ihre Luftwaffenstützpunkte und andere sensible Infrastrukturen seit Monaten außerhalb des 300-Kilometer-Radius der NATO-Raketen (Atacms, Scalp und Storm Shadow) liegen, sodass der Einsatz dieser Waffen nichts ändern werde. Und wenn die NATO die Reichweite erhöhen wolle, indem man die Raketen von Flugzeugen abfeuert, werde die „beste Luftabwehr der Welt“ damit problemlos fertig werden, heißt es in Moskau. Das mag Prahlerei sein; ein entsprechender Einsatz dieser Raketen ist gleichwohl ein gefährlicher Schritt, vor allem vor dem Hintergrund wachsender Spannungen an gleich drei Fronten (Europa, Naher Osten und Ostasien).

Diesen Zusammenhang hat eines der imperialen Sprachrohre der Vereinigten Staaten, die Zeitschrift Foreign Affairs, in ihrer letzten Ausgabe so resümiert:

„Das Zeitalter der begrenzten Kriege ist vorbei; das Zeitalter des totalen Konflikts hat begonnen. Tatsächlich ähnelt das, was die Welt derzeit erlebt, dem, was frühere Theoretiker als ‚totale Kriegsführung‘ bezeichnet haben, bei der die Kämpfenden auf enorme Ressourcen zurückgreifen, ihre Gesellschaften mobilisieren, dem Krieg Vorrang vor allen anderen staatlichen Aktivitäten geben, eine Vielzahl von Zielen angreifen und ihre Wirtschaften sowie die der anderen Länder dafür umgestalten.“

Solche Kriegführung kann leicht der Kontrolle ihrer Urheber entgleiten, entgegen dem Willen der jeweiligen politischen Führer ein Eigenleben entwickeln und jede Verhandlung zur Beendigung des Konflikts unmöglich machen. In einem Interview mit dem russischen Politologen Fjodor Lukjanow fragte der scharfsinnige amerikanische Botschafter Chas Freeman: „Wie werden die Russen die ukrainische Krise lösen, und welches Schicksal erwartet die von Russland besetzten ukrainischen Gebiete? Welche Friedensvorschläge werden Sie unterbreiten?“ Und er antwortete sich selbst:

„Ich glaube nicht, dass die Zugehörigkeit der Krim (zu Russland) diskutiert wird, aber vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass die Regionen Saporischschja und Cherson, die Republiken Donezk und Luhansk und möglicherweise die Region Charkow den Status von autonomen Gebieten innerhalb Russlands erhalten, mit der Möglichkeit, in 20 bis 25 Jahren Referenden abzuhalten. In diesem Fall würde über den zukünftigen Status der Gebiete abgestimmt, mit der Möglichkeit, innerhalb Russlands zu verbleiben und vollwertige Untertanen zu werden, den Status von autonomen Gebieten innerhalb Russlands beizubehalten, sich mit der Ukraine wiederzuvereinigen oder unabhängig zu werden. Wenn die Einwohner ihren Wunsch äußern, sich unabhängig zu erklären, würde ein Pufferstaat an den russischen Grenzen entstehen, was Russland sicherlich zugutekommen würde. Wenn diese Gebiete zustimmen, weiterhin Teil Russlands zu bleiben, dann war der Krieg gerechtfertigt. Wenn sie den Autonomiestatus bevorzugen, wird Russland den Ukrainern seine Großzügigkeit zeigen. Wenn die Regionen sich mit der Ukraine wiedervereinigen wollen, müssen sie die Einhaltung der Minsker Abkommen (in Bezug auf den Schutz der Minderheiten) fordern (…) Es gibt viele Möglichkeiten, mit diesen Gebieten umzugehen, aber ich vermute, dass der emotionale Schaden, den der Krieg hinterlässt, eine sehr großzügige Lösung des Konflikts verhindern wird.“

Mit jemandem wie Trump im Weißen Haus ist schwer vorstellbar, dass dieses empfindliche Gleichgewicht bestehen bleibt. Viel wahrscheinlicher ist das Gegenteil: Der Jelzin von Washington, der alles in 48 Stunden regeln will, könnte die fragilen Balancen endgültig zerstören, die uns von einer Kette von Katastrophen in Europa, im Nahen Osten und in Asien trennen – gegen Russland, den Iran und China. Für die Gegner der Vereinigten Staaten reicht es aus, in nur einem dieser Konfliktszenarien stark zu sein, um zu gewinnen, während Washington sich in allen drei Konflikten gleichzeitig behaupten müsste. In einer ihrer jüngsten Prognosen zeichnet die RAND Corporation, der führende Thinktank des Pentagons, ein ziemlich düsteres Bild von Washingtons Fähigkeit, aus diesem Konflikt erfolgreich hervorzugehen. Die Vereinigten Staaten seien „nicht vorbereitet“ auf einen „ernsthaften Wettbewerb“ mit ihren Hauptgegnern und in allen Bereichen der Kriegsführung verwundbar oder sogar unterlegen, warnt der Thinktank. Wenn das zutrifft und dann auch noch die Auswirkungen des von Trump angekündigten „Handelskriegs gegen alle“ hinzugedacht werden, dann könnte die daraus resultierende Finanzkrise einen fatalen Riss für Trumps Projekt „Make America Great Again“ (MAGA) bedeuten. Während in Moskau, Teheran und Peking Leute am Steuer sind, die offenbar Schach spielen können, steht in Washington ein amerikanischer Jelzin bevor: ein Elefant im Porzellanladen.

Am 13. September erklärte Putin in Sankt Petersburg Folgendes:

„Tatsache ist, dass die ukrainische Armee nicht in der Lage ist (…) – und alle Experten werden dies bestätigen, sowohl in unserem Land als auch im Westen (…) –, mit modernen, präzisen Langstreckensystemen westlicher Produktion anzugreifen. Dies ist nur mit Hilfe von Satellitenaufklärung möglich, über die die Ukraine nicht verfügt. Es handelt sich ausschließlich um Daten von Satelliten der EU oder der USA, in der Regel Satelliten der NATO. Das ist der erste Punkt. Der zweite und sehr wichtige, vielleicht entscheidende Punkt ist, dass nur NATO-Soldaten die Zielkoordinaten in dieses Raketensystem eingeben können. (…) Es geht also nicht darum, ob man dem ukrainischen Regime erlaubt oder nicht erlaubt, Russland mit diesen Waffen anzugreifen. Es geht darum, ob die NATO-Staaten direkt an einem militärischen Konflikt teilnehmen oder nicht. Wenn diese Entscheidung getroffen wird, wird dies nichts anderes bedeuten als die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und der europäischen Länder am Krieg in der Ukraine“, woraufhin Russland „die entsprechenden Entscheidungen treffen“ wird.

Dieser Artikel ist im spanischen Original am 20. November 2024 auf CTXT – Context y Acción erschienen.

Titelbild: Shutterstock / EQRoy

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Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Sein Gespür und sein Instinkt haben Trump zum Wahlsieg verholfen, aber wie Jelzin ist der künftige US-Präsident zur Amtsführung vollkommen unfähig. Er benennt für seine Regierung sehr unterschiedliche und untereinander wie in sich völlig widersprüchliche Figuren, die die in sie gesetzten Erwartungen wahrscheinlich völlig enttäuschen und großes Chaos im Land stiften werden, ähnlich dem, das Jelzin in den 1990er-Jahren in Russland angerichtet hat. Vor diesem Hintergrund bemerkte der russische Filmemacher Karen Schachnasarow, ein Stammgast im russischen Fernsehen, diese Woche: „… Und das könnte uns sehr zugutekommen.“

Viele westliche Beobachter irren sich allerdings, wenn sie sagen, dass man in Moskau von Trumps Sieg begeistert ist. Die Unberechenbarkeit dieses amerikanischen Jelzins, der jeglicher erkennbarer Strategie entbehrt, ist zu groß. Seine Kabinettsbenennungen deuten sicher auf mehr Druck gegen Lateinamerika hin, aber auch gegen den Nahen Osten, wie David Hearst, Herausgeber von Middle East Eye, einschätzt:

„Während seiner ersten Amtszeit hat Trump die Bedingungen für den Hamas-Angriff vom 7. Oktober geschaffen, indem er die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt, die Annexion der Golanhöhen abgesegnet und die Abraham-Abkommen ersonnen hat; und nun, in seiner zweiten Amtszeit und mit einer Regierung, die wie papageiengleich die Pläne Israels wiederholt, den Krieg auf Syrien und den Iran auszudehnen, ist er durchaus in der Lage, einen regionalen Konflikt auszulösen, der sich der Kontrolle sowohl Amerikas als auch Israels entzieht.“

Doch was die Ukraine betrifft, das, worauf es in Moskau zweifellos am meisten ankommt, ist die Lage weitaus weniger klar.

Jemand, der behauptet „das Problem in 48 Stunden“ lösen zu können, sich also „mit Putin einigt“, hat kaum ein angemessenes Verständnis von der Sache. Trump hat nicht verstanden, warum die Nordkoreaner die Entwicklung einer Atombombe vorantreiben und immer wieder Raketentests vornehmen. Und er hat auch diplomatisch nichts erreicht, trotz seines außergewöhnlichen Treffens mit Kim Jong-un im Juni 2018. Dass er sich im Juli desselben Jahres in Helsinki mit Putin traf, verhinderte nicht, dass der kurz darauf aus dem INF-Vertrag über nuklear bestückbare Mittelstreckenraketen austrat, was die technischen Voraussetzungen für die Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Polen und Rumänien schuf und dazu führte, dass die NATO in großen Mengen schwere Waffen an die Ukraine lieferte, obwohl die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist.

Außerdem ließ Trump eine neue nationale Sicherheitsstrategie verabschieden, mit der die Priorität von der „Bekämpfung des Terrorismus“ zur „Konkurrenz zwischen Großmächten“ verlagert wurde. Wahrscheinlich wusste Trump – wie auch Jelzin, als der die in Harvard vorbereiteten Wirtschaftsreformdekrete unterzeichnete – nicht allzu viel von den Konsequenzen seines Tuns, aber das ändert wenig an der Sache. Die Eskalation in der Ukraine setzte sich während seiner Amtszeit fort. Trump ließ bis dahin beispiellose Militärmanöver im Schwarzen Meer starten, an denen 32 Länder teilnahmen, die „Krim-Plattform“ der Kiewer Regierung segnete ein Programm zur Rückgewinnung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel ab und unterzeichnete im August 2021 ein Verteidigungsabkommen mit Kiew sowie eine Charta zur strategischen Partnerschaft (US-Ukraine Strategic Defense Framework und Charter on Strategic Partnership). Kurzum eine Politik, die Krönung des europäischen Sicherheitskuchens, zunächst ohne Russland und dann gegen Russland, der über drei Jahrzehnte hinweg gebacken wurde und schließlich die russische Invasion in die Ukraine im Februar 2022 provozieren sollte.

Die Hoffnungen, die man in Moskau in eine zweite Amtszeit von Trump legt, dürften daher mehr mit dem kalkulierten Chaos und den erwarteten Tumulten innerhalb der USA zu tun haben, die der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten verursachen könnte: wegen seines angekündigten Handelskriegs, der eine gesteigerte Inflation und einen weiteren Rückgang des Lebensstandards für die Mehrheit zur Folge haben dürfte. Weniger allerdings mit seinen launenhaften Versprechungen, den Ukraine-Krieg zu beenden. Wenn Trump die USA durcheinanderbringt und das Land in ein lähmendes Durcheinander stürzt, dann soll das in Moskau willkommen sein.

Währenddessen wird in Russland die Entscheidung westlicher Staaten, der Ukraine den Einsatz von amerikanischen Raketen auf russisches Territorium zu erlauben, unterschiedlich interpretiert. Eine Erklärung ist, für Moskau den Preis für eine Verlängerung des Krieges hochzutreiben, um bei zukünftigen Verhandlungen günstigere Ausgangsbedingungen zu haben. Das wäre eine Taktik, die Biden und Trump im Rahmen einer Übergangsvereinbarung für die verbleibenden zwei Monate bis zum Amtswechsel gemeinsam ausgehandelt hätten. Militärisch sind die Russen in der Vorhand, sie schreiten langsam, aber unaufhaltsam voran, die Zeit scheint für sie zu spielen. Es geht darum, dieses Vertrauen zu zerstören, und in diesem Punkt wären sich die beiden Präsidenten einig.

Eine andere Interpretation kommt im Tweet von Trumps Sohn Donald Jr. zum Ausdruck, in dem dieser eine Verschwörung des Deep State gegen seinen Vater suggeriert:

„Der militärisch-industrielle Komplex scheint sicherstellen zu wollen, dass der dritte Weltkrieg beginnt, bevor mein Vater die Gelegenheit hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten“, schrieb Trump Jr. am 18. November.

Demnach sei die Entscheidung ein Schlag Bidens gegen Trump, dem noch vor Amtsantritt Stolpersteine in den Weg gelegt werden sollen. Damit würde der Übergabepakt gebrochen, nachdem weder der Gewählte noch der Amtsinhaber sich behindern sollten. Schließlich hatte Trump Biden 2021 die „Ehre“ der peinlichen Rückzugsaktion aus Afghanistan bereitet. Jetzt ginge es um dasselbe: dem Nachfolger das Leben schwer zu machen.

So oder so, nachdem Putin im September angekündigt hatte, dass der Einsatz der Raketen gegen Russland (die nur von militärischen Experten der NATO betrieben werden können) eine „direkte Beteiligung am Ukrainekrieg“ seitens der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Großbritanniens bedeuten würde, war klar, dass dies nicht ohne russische Antwort bleiben würde. Offensichtlich hängt eine solche Antwort vom Maßstab und der Intensität des Angriffs ab, da die russische Antwort dem erlittenen Schaden angepasst werden muss.

Die russische Seite sagt, dass ihre Luftwaffenstützpunkte und andere sensible Infrastrukturen seit Monaten außerhalb des 300-Kilometer-Radius der NATO-Raketen (Atacms, Scalp und Storm Shadow) liegen, sodass der Einsatz dieser Waffen nichts ändern werde. Und wenn die NATO die Reichweite erhöhen wolle, indem man die Raketen von Flugzeugen abfeuert, werde die „beste Luftabwehr der Welt“ damit problemlos fertig werden, heißt es in Moskau. Das mag Prahlerei sein; ein entsprechender Einsatz dieser Raketen ist gleichwohl ein gefährlicher Schritt, vor allem vor dem Hintergrund wachsender Spannungen an gleich drei Fronten (Europa, Naher Osten und Ostasien).

Diesen Zusammenhang hat eines der imperialen Sprachrohre der Vereinigten Staaten, die Zeitschrift Foreign Affairs, in ihrer letzten Ausgabe so resümiert:

„Das Zeitalter der begrenzten Kriege ist vorbei; das Zeitalter des totalen Konflikts hat begonnen. Tatsächlich ähnelt das, was die Welt derzeit erlebt, dem, was frühere Theoretiker als ‚totale Kriegsführung‘ bezeichnet haben, bei der die Kämpfenden auf enorme Ressourcen zurückgreifen, ihre Gesellschaften mobilisieren, dem Krieg Vorrang vor allen anderen staatlichen Aktivitäten geben, eine Vielzahl von Zielen angreifen und ihre Wirtschaften sowie die der anderen Länder dafür umgestalten.“

Solche Kriegführung kann leicht der Kontrolle ihrer Urheber entgleiten, entgegen dem Willen der jeweiligen politischen Führer ein Eigenleben entwickeln und jede Verhandlung zur Beendigung des Konflikts unmöglich machen. In einem Interview mit dem russischen Politologen Fjodor Lukjanow fragte der scharfsinnige amerikanische Botschafter Chas Freeman: „Wie werden die Russen die ukrainische Krise lösen, und welches Schicksal erwartet die von Russland besetzten ukrainischen Gebiete? Welche Friedensvorschläge werden Sie unterbreiten?“ Und er antwortete sich selbst:

„Ich glaube nicht, dass die Zugehörigkeit der Krim (zu Russland) diskutiert wird, aber vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass die Regionen Saporischschja und Cherson, die Republiken Donezk und Luhansk und möglicherweise die Region Charkow den Status von autonomen Gebieten innerhalb Russlands erhalten, mit der Möglichkeit, in 20 bis 25 Jahren Referenden abzuhalten. In diesem Fall würde über den zukünftigen Status der Gebiete abgestimmt, mit der Möglichkeit, innerhalb Russlands zu verbleiben und vollwertige Untertanen zu werden, den Status von autonomen Gebieten innerhalb Russlands beizubehalten, sich mit der Ukraine wiederzuvereinigen oder unabhängig zu werden. Wenn die Einwohner ihren Wunsch äußern, sich unabhängig zu erklären, würde ein Pufferstaat an den russischen Grenzen entstehen, was Russland sicherlich zugutekommen würde. Wenn diese Gebiete zustimmen, weiterhin Teil Russlands zu bleiben, dann war der Krieg gerechtfertigt. Wenn sie den Autonomiestatus bevorzugen, wird Russland den Ukrainern seine Großzügigkeit zeigen. Wenn die Regionen sich mit der Ukraine wiedervereinigen wollen, müssen sie die Einhaltung der Minsker Abkommen (in Bezug auf den Schutz der Minderheiten) fordern (…) Es gibt viele Möglichkeiten, mit diesen Gebieten umzugehen, aber ich vermute, dass der emotionale Schaden, den der Krieg hinterlässt, eine sehr großzügige Lösung des Konflikts verhindern wird.“

Mit jemandem wie Trump im Weißen Haus ist schwer vorstellbar, dass dieses empfindliche Gleichgewicht bestehen bleibt. Viel wahrscheinlicher ist das Gegenteil: Der Jelzin von Washington, der alles in 48 Stunden regeln will, könnte die fragilen Balancen endgültig zerstören, die uns von einer Kette von Katastrophen in Europa, im Nahen Osten und in Asien trennen – gegen Russland, den Iran und China. Für die Gegner der Vereinigten Staaten reicht es aus, in nur einem dieser Konfliktszenarien stark zu sein, um zu gewinnen, während Washington sich in allen drei Konflikten gleichzeitig behaupten müsste. In einer ihrer jüngsten Prognosen zeichnet die RAND Corporation, der führende Thinktank des Pentagons, ein ziemlich düsteres Bild von Washingtons Fähigkeit, aus diesem Konflikt erfolgreich hervorzugehen. Die Vereinigten Staaten seien „nicht vorbereitet“ auf einen „ernsthaften Wettbewerb“ mit ihren Hauptgegnern und in allen Bereichen der Kriegsführung verwundbar oder sogar unterlegen, warnt der Thinktank. Wenn das zutrifft und dann auch noch die Auswirkungen des von Trump angekündigten „Handelskriegs gegen alle“ hinzugedacht werden, dann könnte die daraus resultierende Finanzkrise einen fatalen Riss für Trumps Projekt „Make America Great Again“ (MAGA) bedeuten. Während in Moskau, Teheran und Peking Leute am Steuer sind, die offenbar Schach spielen können, steht in Washington ein amerikanischer Jelzin bevor: ein Elefant im Porzellanladen.

Am 13. September erklärte Putin in Sankt Petersburg Folgendes:

„Tatsache ist, dass die ukrainische Armee nicht in der Lage ist (…) – und alle Experten werden dies bestätigen, sowohl in unserem Land als auch im Westen (…) –, mit modernen, präzisen Langstreckensystemen westlicher Produktion anzugreifen. Dies ist nur mit Hilfe von Satellitenaufklärung möglich, über die die Ukraine nicht verfügt. Es handelt sich ausschließlich um Daten von Satelliten der EU oder der USA, in der Regel Satelliten der NATO. Das ist der erste Punkt. Der zweite und sehr wichtige, vielleicht entscheidende Punkt ist, dass nur NATO-Soldaten die Zielkoordinaten in dieses Raketensystem eingeben können. (…) Es geht also nicht darum, ob man dem ukrainischen Regime erlaubt oder nicht erlaubt, Russland mit diesen Waffen anzugreifen. Es geht darum, ob die NATO-Staaten direkt an einem militärischen Konflikt teilnehmen oder nicht. Wenn diese Entscheidung getroffen wird, wird dies nichts anderes bedeuten als die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und der europäischen Länder am Krieg in der Ukraine“, woraufhin Russland „die entsprechenden Entscheidungen treffen“ wird.

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